Die Corona-Pandemie hat in unserer Agglomerationsgemeinde Ostermundigen gezeigt, wie gut unsere Institutionen und Krisenorganisationen funktionieren und wie solidarisch unsere Bevölkerung ist, wenn es drauf ankommt. Sie bedroht aber auch Existenzen, und manche psychischen und finanziellen Folgen lassen sich erst erahnen. Deutlich geworden ist auch, dass es beim Austausch mit dem Bund hapert.
Die Entscheidungen zur Bewältigung der Corona-Pandemie wurden und werden aus unterschiedlichen Perspektiven wie Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und unzähligen weiteren «Disziplinen» gefällt. Es wäre vermessen, aus der subjektiven Wahrnehmung einer Berner Vorortsgemeinde, diese Entscheidungen im Detail zu beurteilen, geschweige denn zu kommentieren. Zum einen benötigen wir die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen, um den «Service Public» aufrechtzuhalten, und zum anderen fehlen uns die fachlichen Kompetenzen dafür bzw. ist es nicht unsere Aufgabe. Aber die mitunter kontrovers diskutierten Beschlüsse, Stellungnahmen und teilweise emotionalen Kommentare der genannten Gruppen haben (fast) immer einen direkten Einfluss auf die Menschen, die in einer Gemeinde wie Ostermundigen leben, arbeiten oder sich als Freiwillige ehrenamtlich engagieren. Mit den unterschiedlichen Erfahrungen von rund zwölf Monaten seit dem ersten «Lockdown» versuche ich einen kurzen, nicht abschliessenden Einblick über positive Aspekte, die Herausforderungen und erste Erkenntnisse für die Zukunft aus Sicht der «Agglo» bei der Bewältigung dieser Ausnahmesituation zu geben.
Schmunzeln und positive Momente
Es mag nach «Krisenromantik» klingen, aber hin und wieder hat es Momente gegeben, in denen die Arbeit zur Bewältigung dieser Krise auch positive Gefühle ausgelöst oder uns gar zum Schmunzeln gebracht hat. Selten habe ich es erlebt, dass in unserer Gemeinde so unkompliziert, unbürokratisch, unkonventionell und lösungsorientiert zusammengearbeitet wurde. Die politische Agenda wurde zur Seite gelegt, und alle haben mitangepackt. Ein Beispiel dafür ist der Aufbau einer Nachbarschaftshilfe für die ältere Generation. Gemeinsam mit unserer Spitex-Organisation, den Landeskirchen, den Alters- und Pflegeheimen und dem lokalen Gewerbe haben wir innerhalb von wenigen Tagen ein funktionierendes Netzwerk organisiert. Beeindruckt hat mich auch die Arbeit unserer Lehrpersonen im Fernunterricht, die «Büetz» der Mitarbeitenden der Abfallentsorgung, der Alters- und Pflegeheime, der Kitas, der Tagesschulen, des Detailhandels, des Reinigungspersonals, der Blaulichtorganisationen. Diese Aufzählung ist nicht abschliessend und zeigt auf, wie viele Berufsgruppen ihre Arbeit nicht im «Home-Office» erbringen können und unseren grossen Respekt verdienen. Geschmunzelt habe ich unter anderem, dass während des Lockdowns unter Einhaltung der Schutz- und Hygienemassnahmen auf einem Schulhausrasen Golfabschläge geübt wurden.
Arbeit, die auf uns wartet
Die positiven Momente haben es ermöglicht, mit den schwierigen Fragestellungen der Pandemie umzugehen. Es liegt auf der Hand, dass wir uns noch sehr lange mit den direkten und indirekten Folgen auseinandersetzen müssen. Schwer abschätzbar sind beispielsweise die mittel- und langfristigen Folgen von Corona auf das Zusammenleben der Menschen. Als eine kurzfristige Massnahme mussten wir bereits die Ressourcen für den Kindes- und Erwachsenenschutz erhöhen. Sorge bereitet uns auch die Fragestellung, welche Auswirkungen diese Ausnahmesituation auf die Psyche aller Generationen haben wird. Zweifelsohne bedroht Corona auch in unserer Gemeinde Existenzen. Dabei spreche ich nicht nur Firmen oder Privatpersonen, sondern auch das ehrenamtliche Engagement an. Was sind die Auswirkungen, wenn Einnahmequellen der Vereine wie Konzerte, das traditionelle Lotto, die Einnahmen aus dem Restaurationsbetrieb des Clubhauses, über Monate wegfallen? Können wir als Gemeinde diesen Ausfall kompensieren? Wer repräsentiert diese Arbeit in den Entscheidungen der nationalen Gremien?
Was ist in der Agglomeration anders?
Nun stellt sich zu Recht die Frage, was ist in einer Agglomerationsgemeinde in der Bewältigung der Pandemie anders als in einer Stadt, in ländlichen Gemeinden oder in touristischen Regionen? Eigentlich nichts, könnte gut und gerne resümiert werden. In meiner Funktion als Gemeindepräsident muss aber ich zu bedenken geben, dass ich mir mehr Nähe der Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern auf nationaler Eben zu den Herausforderungen der vielfältigen Agglomerationen wünsche. Die Agglomerationen als wichtige Scharnierstelle zwischen den städtischen und ländlichen Gebieten der Schweiz wird immer wieder unterschätzt. Trotz der guten Vertretung durch unsere Verbände wünsche ich mehr direkten Kontakt, einen aktiveren Dialog. Damit unterstütze ich bewusst die Bestrebungen des Städteverbandes, den Austausch mit der Agglomeration zu stärken und auszubauen. Die Erfahrungen der Krisenbewältigung haben es exemplarisch gezeigt: Mit unserem pragmatischen, manchmal hemdsärmeligen Vorgehen packen wir Herausforderungen an. Ob Pandemie oder im Alltag: Die Agglomerationen sind vielmehr als das Gebiet zwischen Stadt und Land. Wir sind ein lebendiger, vielfältiger, bunter, lebensfroher und wichtiger Teil Schweiz. Ich ermutige die Entscheidungsträgerinnen und -träger nicht nur, was bei uns vorgekommen ist, für einen Fototermin in die Agglo zu kommen. Wir freuen uns, wenn wir unseren Erfahrungsschatz aus der Praxis, mit oder ohne Corona, noch aktiver und direkter in die nationalen Entscheidgremien einbringen dürfen.